Mops & Miss Marple

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Wiens großer Geschichtenwettbewerb

Es war an einem postkartenartigen Frühlingsmorgen. Meine Bandscheiben stützten noch dort, wo sie sollten, und ich sprang mit dem ersten Versuch geschmeidig aus dem Bett, wie ein junger ­Panther auf den Mangrovenbaum. Ein Glas Wasser mit frischem Zitronensaft, rein in meine Nike und auf zu meiner bevorzugten Laufstrecke.

Außer Vogelgezwitscher und dem einmotorigen Brummen einer Hummel war nichts zu hören. Nahe dem Eingang zu den Steinhofgründen saß eine betagte Dame auf einer Bank und las in der „Krone“. Mit ihrem karierten Hut und den ausgeprägten Tränensäcken erinnerte sie mich an Miss Marple. Ich grüßte freundlich und machte ein paar Dehnungsübungen. Da vernahm ich ein kehlig-heiseres Knurren. Plötzlich stand er vor mir. Ein hechelnder Mops, dessen Gesichtsfalten mit jenen der Dame konkurrierten. Das Knurren wurde ­rebellischer und ich machte vorsichtshalber einen Schritt zurück. Prompt hörte ich den ERSTEN von ZWEI legendären Sätzen, die Besitzer von frei laufenden Hunden so gerne von sich geben:

„Nur keine Angst, der tuat nix“, kam freundlich, aber ­bestimmt von Miss Marple
in meine Richtung, während sie nur beiläufig von der „Krone“ aufblickte.

„Herbert, komm, sei brav und lass den jungen Mann sporteln“, schickte die Dame nach und widmete sich ­erneut der kleinformatigen Lektüre. Nachdem sich Herbert nur widerwillig zurückzog, setzte ich rasch meinen Weg fort und trabte auf meiner ­gewohnten Runde los.

Eine ungeahnte Wende

Bei der ersten Lichtung sah ich von weitem eine Joggerin auf mich zukommen. Letzte Woche, fast zur gleichen Zeit, war sie mir schon aufgefallen. Kirschrotes Longtop, schwarze Tights, ihre zum Pferdeschwanz gebundenen Haare wippten im Laufrhythmus. Sie strahlte wie die ­Göttin der Leichtathletik, von Michelangelo gemeißelt. Ich nahm sofort mehr Körperspannung auf und schaltete auf entspannt wirkende Nasenatmung um.

Auf nahezu gleicher Höhe warf sie mir ein lockeres „Hallo“ zu, dem ein strahlendes Lächeln folgte. Meine Synapsen signalisierten sofort „HEIRATE MICH“, doch mit hochrotem Kopf (wegen der Atmung) krächzte ich bloß einsilbig zurück und ­stolperte über eine Wurzel. Nach Luft ringend und beide Hände auf die Oberschenkel gestützt blickte ich ihr nach. Großartig gemacht, Herr ­Leimer … Die Sonne kam immer kräftiger raus, heiß war mir sowieso, also beendete ich meine Runde und trabte zum Ausgangspunkt zurück. Miss Marple saß nach wie vor auf der Bank und löste Kreuzworträtsel. Von Herbert keine Spur. Beim Stretching kreisten meine Gedanken ausschließlich um die kirschrote Laufgöttin und so merkte ich nicht, wie sich der Mops perfid ­näherte und meinen rechten Schuh attackierte. „HERBERT!“, schrie Miss Marple. Dabei deutete sie mit der Zeitung ein paar Luftwatschen an, die ihr faltiges Ebenbild ­erstaunlicherweise zur Räson brachten. Mein Puls war jenseits von 200 und in meinem Schuh ein klaffender Riss. Der ZWEITE legendäre Satz ließ nicht lange auf sich warten: „Oba des hot er no nie g’mocht!“