Briefmarken sammeln ist längst nicht ‚abgestempelt‘

Briefmarkenhändlerin und Branchenexpertin der Wirtschaftskammer Wien, Christine Steyrer. ©Florian Wieser

Das Sammeln und Handeln von Briefmarken boomt im Verborgenen und ist noch lange nicht ‚abgestempelt‘, wie viele vielleicht denken. In Wien gibt es 46 offizielle Briefmarkenhändler und 42 Philatelie-Vereine, die zu regelmäßigen Treffen laden.

Trotz angestaubtem Image ist mehr los, als man denkt: Gerade die Corona-Zeit hat das Interesse am Briefmarken sammeln wieder aufleben lassen. „Die Zahl der Sammler ist zwar in den letzten Jahren zurückgegangen, aber die verbleibenden sind ernsthafter und geben mehr Geld aus“, wie Christine Steyrer, Briefmarkenhändlerin und Branchenexpertin der Wirtschaftskammer erklärt.

6.000 ernsthafte Käufer im Land

In Auktionshäusern, wo ausgesuchte, qualitativ hochwertige Objekte versteigert werden, geht man von bis zu 6.000 ständigen Käufern in Österreich aus. Ein weiterer Indikator sind die Abonnenten der Post, die alle neu erscheinenden österreichischen Briefmarken erhalten: Es sind mehrere Zehntausend. Natürlich sind nicht alle Abonnenten auch ernsthafte Sammler, nichtsdestotrotz ist Steyrer überzeugt: „Wer das Sammeln und Handeln von Briefmarken für tot erklärt, liegt falsch.“

 Online-Geschäft mit Briefmarken boomt

Vieles spielt sich online ab, aber nicht alles: In Wien gibt es 46 aktive Briefmarkenhändler. „Neben dem Online-Geschäft betreiben die Wiener Briefmarkenhändler auch noch Ladenlokale oder bieten die Möglichkeit von vereinbarten Treffen, um sich vor Ort ausführlich beraten zu lassen“, so Horst Szaal, Obmann des Landesgremium des Kunst-, Antiquitäten- und Briefmarkenhandels in der Wirtschaftskammer Wien. Reges Treiben herrscht auch bei den rund 170 österreichischen Philatelie-Vereinen, 42 davon in Wien. Auch die heimischen Auktionshäuser handeln mit Briefmarken, nehmen die Samm­lung in der Regel aber meist erst ab einem Wert von etwa 1.000 Euro aufwärts in den Auktions­katalog auf.

„Nachfrage nach Raritäten ist hoch“

Die Hoffnung der Käufer oder auch der Erben von alten Briefmarkensammlungen, es könnte sich eine Rarität in ihnen verstecken, erfüllt sich in den allermeisten Fällen nicht. „Die Wahrscheinlichkeit eines sensationellen Dachbodenfundes via Briefmarkenfundus des verstorbenen Großvaters ist leider nahezu gleich Null. Von 100 Sammlungen, die auf den Markt kommen, ­sind höchstens fünf bis zehn Prozent brauchbar und haben einen Wiederverkaufswert“, erklärt Expertin Christine Steyrer.

Einschätzung vom Experten 

Auch wenn die meisten Samm­lungen wenig wert sind – Ausnahmen bestätigen die Regel. Wer also beispielsweise ein Album erbt, kann als erste Orientierung eine Suche nach Handelspreisen auf Online-Plattformen starten. Wenn die eigenen Recherchen Anhaltspunkte für eine wertvollere Sammlung ergeben, empfiehlt es sich, Experten einzubeziehen. Händler oder Aktionshäuser bieten oft um wenige Euro eine Einschätzung zum Wert an.

Fehldrucke: Ein genauer Blick lohnt sich

Insbesondere Fehldrucke sind gefragt: Wenn der Verdacht besteht, es könnte ein Rechtschreibfehler, Zahlendreher oder eine falsche Farbe auf einer Briefmarke verwendet worden sein, sollte genauer hingeschaut werden. Im Dezember 2022 erzielte eine neu entdeckte 3-Kreuzer-Farbfehlerdruck-Marke aus dem Jahre 1870 den höchsten jemals für eine Briefmarke erzielten Preis: 150.000 Euro. Die Rarität und Besonderheit der Marke liegt darin, dass sie durch einen Fehler in Rot statt Grün gedruckt wurde.

Hans Steiner
Chefredakteur