Erinnerungen: Baulöwe Richard Lugner und das Wiener Bezirksblatt

Bild: Stefan Diesner

Wie praktisch alle Medien des Landes hatte auch die beliebteste Zeitung Wiens mit 500.000 Lesern spezielle Erlebnisse mit dem verstorbenen “Baumeister der Nation”.

Richard Lugner hatte viele Gesichter: Als Society-Löwe, als mediale Nervensäge, als alternder Playboy, als schillernder “Mister Opernball” – und vor allem als tüchtiger Baumeister und Geschäftsmann. Das Wiener Bezirksblatt hatte dazu eine ganz spezielle Begegnung mit ihm in der Ottakringer Tschauner-Bühne, die wohl Bände spricht.

Zweite Seite in wenigen Sekunden

Nach einem 40-minütigen, seriösen Gespräch über die Wirtschaftslage, seine Einkaufscity in Rudolfsheim-Fünfhaus und geschäftliche Details erblickte er plötzlich die Kamera eines Privatsenders. Rums! Prompt war “Richi” nicht mehr derselbe wie in den 40 Minuten davor, er war plötzlich unruhig, mediengeil und hat sein Umfeld nicht mehr wahrgenommen, sondern nur mehr versucht, in die Kamera zu lachen. Wirklich so, als hätte er zwei Gesichter.

Oft auf kurzem Wege

Ein zweites vielsagendes Erlebnis hat das Wiener Bezirksblatt 2012 gemacht. Wir hatten eine große Geschichte inklusive Schlagzeile zur “Sonntagsöffnung” im Blatt, plötzlich schrillte das Telefon und am Apparat war der City-König höchstpersönlich. “Hören Sie, Herr Steiner”, sagte Lugner, “warum sollen wir am Sonntag nicht geöffnet haben, wenn die Mitarbeiter mehr verdienen? Warum können wir da nicht internationalen Standards entsprechen? Warum ist die Gewerkschaft so dagegen?” folgte ein argumentativer Wortschwall. Und auch wenn er sich in der wirtschaftlichen Frage nicht durchsetzte: Er wusste direkt und unkompliziert seinen Standpunkt zu erklären.

WBB-Extra für den 15. Bezirk

Mehrere gemeinsame Buchprojekte folgten. So schrieb Ex-WBB-Redakteurin Andrea Buday das hochinteressante Buch “Die Mörtel-Story”. Auch bei einem jüngeren Projekt – “I love Vienna” – war Lugner mit einem großen Beitrag vertreten. Und schließlich brachte das Wiener Bezirksblatt im Vorjahr ein “Rudolfsheim-Fünfhaus-Extra” auf den Markt. Mit dem doppelseitigen Interview “Richard, der City-Kaiser”. Damals erzählte er, “dass ich auf 50 Wochenstunden komme, ich bin täglich in der City”. Und er erwähnte, dass er “seit Jahren die Lugner-City ausbauen möchte”. Diesem Thema werden sich jetzt andere widmen.

Hier Szenen eines langen und erfolgreichen Lebens (Bilder: WBB, Privat, Diesner, Ali Rezaei):

Hans Steiner
Chefredakteur