Grazie, Grande Dame, Golden Girl: La Leyrer

©Andreas Hochgerner

Dieter Chmelars Seitenhiebe des Monats. Die WBB-Edelfeder über eine königliche Komödiantin, die noch dazu von allen 80ern am fünfzigsten aussieht: Edith Leyrer macht schon Jahrzehnte blendende Figur auf allen Bühnen – ob beim Bronner, neben Brandauer oder in einer -durchtanzten Nacht mit Bernstein. Im Scherz wie im Schmerz: was für ein Herz!

Sie kam in dem Jahr zur Welt, als der Bombenkrieg auf „großdeutschen“ Boden zurückkehrte und auch Wien heimsuchte. 1943. Genauer gesagt: Am 25. Oktober 1943, übrigens, welch launiger Zufall, drei Tage nach Catherine Deneuve in Paris und drei Tage vor Conny Froboess im Brandenburgischen. Ihre Eltern, Vater Textilkaufmann aus dem tiefsten Waldviertel, Mutter Konzertpianistin aus großbürgerlichem Haus, wählten den richtungsweisenden Namen für die bildhübsche, bald begnadet-bewegliche Zweitgeborene: Edith heißt im Altenglischen „die für ihr Glück Kämpfende“. 

Das trieb sie schon als blutjunge Tänzerin buchstäblich auf die Spitze, spielte mit 15 eine hinreißend hysterische Casino-Verliererin im Raimund Theater („Die Blume von Hawaii“) und wurde vom Fleck weg nach Saarbrücken engagiert. Nach zwei Jahren schickte man ihr ein Inserat, in dem der legendäre Gerhard Bronner eine „märchenhafte Schönheit“ suchte. Heim nach Wien, ein Lied in der „Fledermaus“ genügte für die „Putzi“ in der Kabarett-Revue „Die Arche Novak“, vor allem aber, weil die höhere Tochter auch in den Niederungen des breitesten Dialekts brillierte. Bronner nannte sie gern (damals schon reichlich unkorrekt) „Grammel 1“. Ihre süße Kollegin Dolly Schmidinger war „Grammel 2“.

Lennys Liebeserklärung

Dank Marcel Prawy, der sie aus 3.000 Vorsprecherinnen für die Volksoper aussiebte, reifte sie, Stück für Stück, zur „La Leyrer“. Leonard Bernstein sah sie als bubenhafte, busenabgebundene „Anybodys“ von den Jets in seinem Musical-Welthit „Westside Story“, tanzte nach der Premiere in der Kultdisco Atrium eine Nacht lang mit ihr durch und schenkte ihr danach im Sacher eine Platte mit der Widmung „For a Great One, Lenny!“ – in der Tat: Sie wurde eine fixe Größe. Nach Auftritten in der Josefstadt (etwa in einem Schnitzler neben Klaus Maria Brandauer) oder in den Kammerspielen (argwöhnisch kleingehalten von der mächtigen Elfriede Ott) folgten 15 Saisonen Simpl (unter Martin Flossmann) mit 3.800 Vorstellungen. Der Kleinkunst ist sie auch mit 80 noch schicksalhaft verbunden: Ab 12. November ist die Grande Dame wieder ein „Golden Girl“, in einer Fortsetzung des Klassikers in der Komödie am Kai.

Späte Traumhochzeit 

Apropos Schicksal – das spielte für Leyrer alle Stückeln. Nicht nur Komödien. 2021 rettete ihr Kittsee-Intendant Gerhard Ernst das nackte Überleben. Er erkannte, wie kraftlos sich die notorisch Quirlige und Quecksilbrige bei der Hauptprobe zu „Die Gigerln aus Wien“ dahinschleppte und kommandierte sie stracks zum Check ins AKH. „Ich hatte erst 177 Puls, dann 30 und wurde fast drei Stunden am offenen Herzen operiert“, erinnert sich Edith traumatisiert, „man hat mir einen Schrittmacher eingesetzt, aber ohne Narkose, weil wegen der Pandemie kein Anästhesist zur Verfügung stand. Unvorstellbare Schmerzen, fünf Monate Pause.“ Wie glückhaft dagegen die späte Traumhochzeit mit Architekt Heinz Busch in Las Vegas. Nur Tage nach ihrem 50er, 1993. Damals beschlossen sie, bis zum Ende ihrer Tage im „Honeymoon“ zu bleiben. Sie sind unzertrennlich, „weil wir zwei wie eins sind“, obwohl sie beide seither „ausnahmslos jeden Hochzeitstag“ verschwitzten. Was ist deine stärkste Eigenschaft, Edith? „Dankbarkeit“, sagt sie binnen Zehntelsekunden, „für alles, was ich erleben durfte. Weißt, was einmal auf meinem Grabstein stehen soll? ,Hier ruht ein glücklicher Mensch‘.“

Hans Steiner
Chefredakteur