160 Jahre Wieden: Eine bewegte Geschichte

Im Jahr 1861 wurde Wieden zum 4. Bezirk. Und ist es bis heute. Ein Rückblick auf eine bewegte Geschichte im Herzen Wiens.

Die Wieden als Geschenk

Wenn man weit zurückblickt in den Rückspiegel der Wiener Geschichte, dann erscheint die „Wieden“ nicht nur aufgrund der Namensähnlichkeit mit Wien schon sehr früh erstmals auf: weit früher als vor 160 Jahren im Jahr 1861. Genau genommen im Jahr 1137, als der ­Begriff im Tauschvertrag von Mautern erstmals erwähnt wurde. Denn die Bezeichnung Wieden geht auf den Begriff „Widem“ beziehungsweise „Widum“ zurück, welcher in der mittelalterlichen Rechtssprache etwa „Pfarrhof oder Pfarrgut“ bedeutete. Und damit einen für eine Pfarrei gewidmeten Besitz. Die heutige Wiedner Hauptstraße ist allerdings schon wesentlich älter und als Straße in Verwendung gewesen. Mit der Heumühle, dem zweitältesten Profanbau Wiens, gibt es im 4. Bezirk auch ein Gebäude aus dem 13. Jahrhundert, das erst vor wenigen Jahren aufwendig ­restauriert wurde.

Überregional

Durch die Nähe zum Zentrum der Kaiserstadt hat die Vorstadt schon vor der Eingemeindung große Bedeutung. So wurde in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts ein Gebäude am Areal vor den Toren der Stadt errichtet, dessen Bedeutung bis heute weit über die Grenzen des Bezirks und des Landes hinausgeht: die Karlskirche. Der Bau wurde vom Habsburger Karl VI. nach dem Ende der letzten großen Pestepidemie im Jahr 1713 begonnen, im Jahr 1737 erfolgte dann die Einweihung. Noch heute sind die Kirche und das Grätzel rund um die Kirche ein wichtiger Erlebnisort für die Bezirksbevölkerung und Menschen von nah und fern. Unmittelbar daneben wurde noch unter Kaiser Franz I. im Jahr 1815 der Vorläufer der Technischen Universität Wien als „Polytechnisches ­Institut“ gegründet – heute die größte naturwissenschaftliche Forschungseinrichung des Landes.

Trennung vom 5. Bezirk

Im Jahr 1850 wurde die ­Wieden ebenso wie andere Vorstädte ein Teil von Wien. ­Anfangs noch in Union mit dem heutigen 5. Bezirk ­erfolgte 1861 (per Gemeinderatsbeschluss) die Trennung. Die wohlhabendere und ­zentrumsnahe Wieden blieb als 4. Bezirk – das eher von Arbeitersiedlungen geprägte Margareten wurde zum 5. Bezirk. Teile des heutigen Favoriten wurden im Jahr 1874 abgetrennt. Damit ­erstreckt sich der Bereich der heutigen Wieden auf die ehemaligen Gebiete Wieden, Schaumburgergrund und Hungelbrunn. Im Zuge des industriellen Aufschwungs in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wuchs auch die Bevölkerung auf der Wieden, zahlreiche Neu­bauten fallen ebenfalls in diese Zeit. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurde der Bau des Gürtels anstelle des ehema­ligen Linienwalls vorangetrieben und bildet bis heute die Grenze im Süden des Bezirks.

Prominente Heimat

Im Lauf der Geschichte war der 4. Bezirk auch Heimat für viele prominente Menschen. So hatten unter anderen die Komponisten Christoph Willibald Gluck, Johannes Brahms und Johann Strauss (Sohn) ihren Wohnsitz auf der Wieden. An Brahms und Strauss erinnert bis heute ein Platz bzw. eine Gasse. Auch Emanuel Schika­neder, gemeinsam mit Wolfgang Amadeus Mozart Schöpfer der zeitlosen Oper „Die Zauberflöte“, war auf der Wieden zu Hause. Auch an ihn erinnert eine Gasse. Die Musik zur Zauberflöte wurde von Mozart in einer Gartenhütte des Freihauses, an das heute noch das Frei­hausviertel erinnert, nur ein paar Gassen weiter komponiert.

Karl Kraus und Rosa Mayreder

Auch die Literatur war im Bezirk stets prominent ver­treten. Karl Kraus und Rosa Mayreder seien nur stellvertretend für viele Schriftsteller genannt, die im vierten Bezirk lebten und arbeiteten. Die Bevölkerung wuchs von rund 55.000 Menschen im Jahr 1869 auf 63.000 im Jahr 1910. Im selben Jahr wurde auch das bis zum heutigen Tag beliebte Kaffeehaus Goldegg in der gleichnamigen Gasse an der Ecke zur Argentinierstraße eröffnet. Zwischenzeitlich fiel die Bevölkerung auf unter 30.000, mittlerweile leben rund 33.000 Menschen im Bezirk.

„Unsere Vergangenheit als vielfältiger Bezirk des Wohnens, der Kultur und des Zusammenlebens prägt auch unsere Pläne für die Zukunft der Wieden“, erzählt Lea Halbwidl, seit 2018 Bezirksvorsteherin auf der Wieden. Und in der Tat sind immer wieder architektonische Meisterleistungen im Bezirk entstanden: vom Radiofunkhaus in der Argen­tinierstraße (errichtet in der Zwischenkriegszeit) hin zur Neuen Favorita, heute besser bekannt als Theresianum, in der Favo­ritenstraße, mit Wurzeln in der Barockzeit.

Leben & Freizeit

Heute bietet die Wieden jenen historischen Charme, gepaart mit den vielen Reizen einer ­lebendigen Großstadt. Das zeigt sich unter ­anderem an Angeboten für Senioren (Treffs in der Weyringergasse und Favoritenstraße, Haus Wieden in der Ziegelofengasse) bis hin zur gesundheitlichen Infrastruktur, etwa in der Blutspendezentrale (Wiedner Hauptstraße 32), direkt bei der Bimstation ­Paulanergasse. Auch kulturelle Genüsse findet man im 4. Bezirk in vielen Varia­tionen. Eine ganz spezielle ­Kultureinrichtung ist dabei das Theater Akzent in der Theresianumgasse 18. Gleich daneben steht die Vertretung der arbeitenden Menschen im Mittelpunkt: In der Prinz-­Eugen-Straße 20–22 hat die Arbeiterkammer ihre Zentrale.

Auch als Wirtschaftsstandort erfreut sich die Wieden hoher Beliebtheit bei Unternehmen und Kunden. Etwa im Bereich der Mobilität. Die Autohäuser Pappas (Mommsengasse 26) und Mazda Rainer (Wiedner ­Gürtel 3A) sind gute Beispiele dafür. Mit einer Fläche von nur knapp 180 Hektar zählt die Wieden zu den kleinsten Bezirken der Stadt. Doch die reichhaltige Geschichte bietet auch auf engem Raum ein ­anschauliches Bild der Ver­gangenheit und macht Lust auf die Zukunft.