„Der Bezirk braucht neue Gründerzeit“

(C) Diesner: „Wo grün fehlt, müssen wir aus dem Asphalt herauskommen, so wie wir das jetzt beim Projekt Kutschkermarkt vorhaben,“ sagt Bezirksvorsteherin Silvia Nossek.
(C) Diesner: „Wo grün fehlt, müssen wir aus dem Asphalt herauskommen, so wie wir das jetzt beim Projekt Kutschkermarkt vorhaben,“ sagt Bezirksvorsteherin Silvia Nossek.

Vor 130 Jahren ist Währing zu einem lebenswerten Grünbezirk herangewachsen. Und seit sieben Jahren wird er auch „grün“ verwaltet. Mag. Silvia Nossek wuchs im Weinviertel auf und studierte an der Uni Wien Mathematik und Geschichte. Sie lebt seit den späten 1980er Jahren in Währing. 1991 kandidierte sie bei der Bezirksvertretungswahl und wurde Klubobfrau der Grünen. 2009 kandidierte sie als Landessprecherin der Wiener Grünen und war 2015 Spitzenkandidatin der Grünen in Währing. Die Grünen stellten als stimmenstärkste Partei die Bezirkschefin. 2020 konnte sie ihre Position sogar noch festigen. Das WIENER BEZIRKSBLATT traf Silvia Nossek zum Interview.

WIENER BEZIRKSBLATT: 130 Jahre Währing, was bedeutet das für Sie persönlich und was für die Währingerinnen und Währinger?

SILVIA NOSSEK: Vor 130 Jahren ist hier der Schritt vom Dorf zur Stadt erfolgt. Da wurden die Währinger Straße, das Cottage-Viertel und selbst die Villen entlang der Pötzleinsdorfer Allee angelegt. Das, was Währing ausmacht und so lebenswert macht, ist alles zum großen Teil damals entstanden. Das ist das Flair von Währing. Mit der Klimakrise steht so etwas wie eine neue Gründerzeit an. Es wird wichtig sein, aus der Kraft der Tradition den Pioniergeist mitzunehmen, der vor 130 Jahren hier geherrscht hat, um die kommenden Herausforderungen zu meistern.

Warum hat sich Währing anders entwickelt als etwa der Nachbarbezirk Hernals?

Was immer die Ursache war, ich denke, dass es hier viel Grün gegeben hat und die Idee des Cottage-Viertels entstanden ist. Das ist ja eine relativ einzigartige Gegend. Zum einen für die Leute, die dort wohnen, aber auch für andere, zum Spazierengehen zum Laufen, das ist Lebensqualität. Und ähnliches gilt auch für Gersthof.

War das vielleicht, weil Hernals ein Arbeiterbezirk war und in Währing Begütertere gelebt haben?

Der Trend zum Wienerwald und zur Sommerfrische hätte sich in Hernals genauso entwickeln können. Dass bei uns eher wohlhabendere Leute gelebt haben, das stimmt schon, aber warum gerade Pötzleinsdorf so eine Sommerfrische für das Bürgertum wurde, kann ich nicht sagen.

Während anderswo Geschäfte leer stehen, entwickelt sich die Währinger Straße mit neuen Geschäften hinaus bis zum Gersthofer Platzl.

Was für mich die Währinger Straße ausmacht, sind die vielen inhabergeführten Geschäfte. Sie wurden von ihren Stammkunden durch die Krise getragen. Kunden kamen, weil sie gut beraten werden und weil man immer weiß, was man braucht. Bei uns gibt es noch die Eisenwarenhandlung, wo man drei Schrauben bekommt, das Kurzwarengeschäft, das Geschirrgeschäft Binder-Schramm, das schon über 100 Jahre besteht, oder die gut funktionierende Buchhandlung. Das macht auchden Reiz der Währinger Straße aus.

Sie sind jetzt seit sieben Jahren Bezirkschefin. Und wie es ausschaut, werden Sie es auch blieben. Was haben sie noch vor, aus Währing zu machen?

Es geht darum, dass Währing so lebenswert bleibt. Wenn wir das wollen, müssen wir den Bezirk auch klimafit machen. Dass man, wo Grün fehlt, aus dem Asphalt herauskommt. So wie wir es jetzt mit dem Projekt Kutschkermarkt und Schulgasse machen, wo 35 Bäume gepflanzt werden und wir möglichst viele Autofahrten vermeiden. Jeder Kilometer, den man nicht mit dem Auto zurücklegt, ist ein Gewinn.

Wird es weitere Großprojekte geben?

Wir haben den Radweg nach Pötzleinsdorf eröffnet und werden im kommenden Jahr die zweite Seite umsetzen.

Es gibt auch Stimmen gegen neue Projekte. Wie versucht man, kritische Menschen zu überzeugen?

Prinzipiell rede ich mit allen Menschen, weil man im Gespräch viel ausräumen kann. Aber natürlich gibt es Betroffenheiten. Da in Alternativen zu denken, wäre wichtig. Wir müssen Konzepte entwickeln, wie man mit weniger Autos auskommen kann.