Liebe im Wandel: Ist Monogamie am Ende?

Eine Dating-Studie besagt: Monogamie ist nicht für alle geeignet. ©iStock by Getty Images

Für viele bedeutet Partnerschaft eine Zweierbeziehung mit sexueller und emotionaler Treue. Diese Vorstellung ist so verbreitet, dass viele Partnervermittlungen im Internet nicht einmal eine andere Such-Option vorsehen. Eine aktuelle Umfrage zeigt jedoch, dass Monogamie nicht für jeden geeignet ist.

Die Befragung durch die psychologische Dating-Plattform Gleichklang.de unter 1066 Singles gelangte zu dem – auch für Österreich repräsentativen – Ergebnis, dass 13 % der Befragten keine sexuelle Erfüllung finden können, wenn sie dauerhaft nur Sex mit einer Person haben. 15 % der Befragten berichteten zudem, dass sie romantische Erfüllung nur in einer Beziehung mit mehr als einer Person erreichen können.

Monogamie für manche nicht möglich

Psychologe Guido F. Gebauer, der als Dating-Coach tätig ist und den Dating-Ratgeber „A Perfect Match? Online-Partnersuche aus psychologischer Sicht“ verfasst hat, führte die Online-Befragung für Gleichklang durch. Er schließt aus den Ergebnissen, dass manche Menschen polypartnersexuell orientiert seien, sodass ihnen sexuelle Zufriedenheit mit nur einer Person gar nicht möglich sei. Ebenso gebe es Menschen mit polypartnerromantischer Orientierung, die für ihr romantisches Liebesglück mehr als eine Person als Partner brauchen. Für solche Menschen seien monogame Zweierbeziehungen ungeeignet.

Hauptergebnisse der Befragung

  • 13 % der Befragten gaben an, Sex mit mehr als einer Person zu brauchen, um dauerhaft sexuell erfüllt zu werden zu sein. Der Anteil dieser polypartnersexuellen Personen betrug bei den Männern 18 %, bei den Frauen 8 % und bei den nicht-binären Personen 29 %.
  • 15 % der Befragten gaben an, romantische Beziehungen mit mehr als einer Person zu brauchen. Der Anteil der polypartnerromantischen Personen betrug bei den Männern 19 %, bei den Frauen 12 % und bei den nicht-binären Personen 25 %.

GBTQ+-Personen sind häufiger poly

Oft traten beide Orientierungen gemeinsam auf. Besonders stark waren polysexuelle und polyromantische Orientierungen bei LGBTQ+-Personen verbreitet. 9 % der heterosexuellen Befragten bejahten eine polypartnersexuelle Orientierung und 12 % bejahten eine polypartnerromantische Orientierung. Bei den teilnehmenden LGBT+-Personen gaben demgegenüber 22 % an, polysexuell zu sein, und 25 % bejahten eine polyromantische Orientierung.

Alter und Bildung spielen keine Rolle

Es zeigte sich ein Zusammenhang zwischen dem Lebensalter und der Präferenz von Sex mit mehreren Partnern, während die Häufigkeit der polyromantischen Orientierung unabhängig vom Alter war. Der Bildungsstand spielte dagegen bei beiden Orientierungen keine Rolle. Beide Personengruppen wünschten sich jedoch häufig Beziehungen, bei denen „Freiheit im Hier und Jetzt“ sowie „Lust und Sex“ im Vordergrund stehen. Psychologe Gebauer schließt aus den Umfrage-Ergebnissen, dass eine monogame Zweierbeziehung keineswegs für alle Menschen die geeignete Partnerform sei.

Unmöglichkeit auf dauerhaftes Glück

„Es gibt Menschen, die aufgrund ihrer polypartnersexuellen Orientierung in einer monogamen Beziehung nicht glücklich werden könnten. Lassen diese Personen sich auf Monogamie ein, werden sie mittelfristig sexuell unzufrieden und vermutlich eines Tages fremdgehen“, s0 Gebauer. Polypartnerromantische Personen wiederum können laut dem Psychologen einer traditionellen Zweierbeziehung nichts abgewinnen: „Sie werden immer die Sehnsucht nach romantischen Beziehungen mit weiteren Personen verspüren und daher frustriert und unzufrieden werden“. Laut dem Dating-Coach werden viele Menschen in monogame Beziehungen gedrängt, die wegen ihrer sexuellen oder romantischen Orientierung in diesen nicht zufrieden sein können, woran auch so manche Beziehung im Endeffekt scheitere.

„Umfrage unterschätzt die Lage“

Gebauer vermutet, dass die aktuelle Umfrage den Anteil polysexueller und polyromantischer Menschen sogar noch unterschätzt: „Die monogame Erwartungshaltung ist in der Gesellschaft so stark verbreitet, dass vielen nicht einmal bewusst sei, dass es auch andere Orientierungen gibt, geschweige denn, dass ihre eigene Orientierung eine andere sein könnte“, so seine Hypothese. Damit erklärt er auch die größere Häufigkeit der polysexuellen und polyromantischen Personen in  der LGBTQ+-Community.

Suche der eigenen Orientierung anpassen

Gebauer rät abschließend allen Partnersuchenden, sich über ihre sexuelle und romantische Orientierung klar zu werden und auf dieser Basis zu entscheiden, welche Beziehung sie suchen.

  • Für polysexuelle Personen, die nicht polyromantisch sind, seien offene Beziehungen oder Swinger-Beziehungen die richtige Wahl. Bei offenen Beziehungen könnten sie Sex mit anderen Personen außerhalb der Beziehung haben. Bei Swingerbeziehungen finde dieser Sex mit dritten Personen gemeinsam als Paar statt.
  • Für polyromantische Personen sei die Polyamorie das geeignete Beziehungsmodell. Bei der Polyamorie werde auch die Liebe mit mehreren Personen geteilt.
  • Für monosexuelle Personen, die auch monoromantisch orientiert seien, sei demgegenüber die traditionelle Zweierbeziehung das optimale Beziehungsmodell.
Hans Steiner
Chefredakteur