Dieter Chmelar: Man verliert Menschen, aber nicht die Zuneigung

Dujmic, Schedl

Zuletzt schrieb hier Freund und Kollege Peter Rapp die weise Wahrheit und wahrhaftige Weisheit, wonach er lieber über die Vergangenheit sinniere als über die Zukunft, weil ihm von der Zukunft so viel weniger zur Verfügung stünde. Da schwang natürlich auch ein bisschen Koketterie mit. Ich wünsche ihm, dem reschen 77er, mindestens das Alter, das Hugo Portisch ­erreichte, der sich jüngst in überragender geistiger Frische mit 94 verabschiedete. Als ich ihm 1981 (!) meine erste TV-Kritik in der seligen „AZ“ widmete, da schickte
er mir ein handgeschriebenes Dankeschön. Das trug ich wie einen Orden durch Redaktion, Familie und Freundeskreis. Seine Bedeutung als Geschichtslehrer der Nation (Österreich I, Österreich II, unzählige Reportagen und Kommentare) goss einmal eine andere, im eigenen Ressort ebenbürtige Legende, nämlich Opernführer Marcel Prawy (1911–2003), in den wunderbaren Satz: „Beim Portisch freut man sich auf die nächste Weltkrise.“

BLUMEN FÜR DEN PATZAK
Mit nur 76 Jahren ereilte Peter Patzak ein allzu früher irdischer Drehschluss. Er führte als genialer Regisseur Größen wie Christoph Waltz, Peter Vogel und auch Paula Wessely zu noch Größerem. Seine „Kottans“ waren kultig, „Kassbach“, seine subtile Warnung vor der bitter- und „biederbösen“, ja geradezu spießbürgerlichen Wiederkehr des Faschismus (1979!), war beklemmend und prophetisch. Tausend und einen klugen Gedanken habe ich von ihm in Erinnerung, aber unauslöschlich bleibt diese buchstäblich blumige Interview-Passage anlässlich seines 70. Geburtstags: „Herr Patzak, Sie malen, schreiben, führen Regie – gibt es ein Talent, von dem niemand weiß?“ Darauf Patzak: „Ja, ich kann Lorbeer, Rosen, Glyzinien (Blauregen), Rosmarin und Weinreben schneiden. Ich kann dabei laut denken und gehe niemandem auf die Nerven.“ Peter, du hast uns weit mehr hinter­lassen
als einen Strauß fantastischer Filme. Du warst großzügig und gelassen. Kommt ganz selten vor, ob in der Natur oder in der Kunst.

EIN WORT ZUM WILLI
Ich habe dieser Tage einen besonders wertvollen Menschen und großartigen Kollegen verloren: Willi Schraml. Für so manchen Fotografen, mit dem ich in 41 Berufsjahren zusammenarbeitete, galt als Anerkennung: Er tut, was er kann. Für einige wenige hieß es: Er kann, was er tut. Der Willi, der nun empörender Weise mit grad einmal 71 starb, war genau so einer dieser raren Spezies – stets virtuos, manchmal grandios, nie kapriziös. Und dazu gesellte sich ein so herzlicher Mutterwitz – auf dem Punkt, manchmal ätzend, nie verletzend. Vor 33 Jahren wurden wir als Berichterstatter zu den Olympischen Winterspielen nach Calgary (Kanada) entsandt. Drei sehr ­strapaziöse, abenteuerliche Wochen lang jagten wir unsere Eindrücke per Fax und Funk in die Heimat. Für die Bewältigung der hunderte Meilen weiten Strecken mieteten wir gleich am ersten Tag einen günstigen Chrysler. Der ging uns ein. Am zweiten Tag bekamen wir den zweiten noch günstigeren Chrysler. Ihn ereilte dasselbe Schicksal. Als am dritten Tag der dritte den Geist aufgab, sagte Willi: „Jetz’ waaß i endlich, warum ’s Chryslersterben haaßt.“ Allein dafür werde ich ihn immer lieb haben.

Im nächsten Heft: Peter Rapp mit seinen „Wiener Geschichte(n)“