Wenn der Ton kippt: Gewalt im Handel auf dem Vormarsch

©iStock

Beschimpfungen, Drohungen, Belästigung: Für viele Handelsangestellte gehören Übergriffe zum Arbeitsalltag. Eine neue Umfrage der Gewerkschaft GPA zeigt, wie ernst die Lage ist – und wo Arbeitgeber jetzt dringend handeln müssen. Denn die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: Wer im Handel arbeitet, braucht nicht nur starke Nerven, sondern auch stärkeren Schutz.

Täglich Kund:innenkontakt, knapper Personaleinsatz und hoher Erwartungsdruck – im Handel treffen viele Stressfaktoren aufeinander. Die Folge: Immer mehr Beschäftigte erleben Gewalt im Job.
Laut einer aktuellen GPA-Umfrage unter über 1.500 Handelsangestellten hat knapp jede:r Zweite (46,7 %) bereits Gewalt am Arbeitsplatz erlebt – fast jede:r Zehnte allein im vergangenen Jahr. Ob Anschreien, Beschimpfen oder Einschüchtern – psychische Gewalt ist Alltag.

Zahlen, die aufrütteln

  • 58,6 % wurden schon angeschrien oder eingeschüchtert
  • 57,8 % berichten von Beschimpfungen
  • 37,6 % wurden bedroht
  • 34,6 % erlebten Verspottung oder Hänseleien

Auch wenn Kolleg:innen angegriffen werden, bleibt das selten unbemerkt. Fast 77 % haben beobachtet, wie andere angeschrien wurden. Diese Vorfälle belasten – und sie nehmen zu. Über die Hälfte der Befragten sehen eine Verschärfung in den letzten fünf Jahren.

Gewalt trifft Frauen besonders häufig

Gerade weibliche Beschäftigte erleben Übergriffe besonders häufig:
40 % berichten von sexistischen oder diskriminierenden Witzen, jede Fünfte wurde verbal sexuell belästigt. 4 % haben sexuelle Übergriffe erlebt. Über die Hälfte ist überzeugt: Frauen sind stärker betroffen.

Stolz auf den Job – aber Sorgen um die Sicherheit

Trotzdem identifizieren sich viele mit ihrer Arbeit: 8 von 10 sehen ihren Job als gesellschaftlich wichtig. Doch der Stolz wird oft getrübt – durch Angst, Überlastung und fehlenden Rückhalt.
Fast ein Viertel macht sich große Sorgen um die persönliche Sicherheit am Arbeitsplatz. 23,7 % haben sogar schon über einen Berufswechsel nachgedacht.

Wenn niemand zuhört

Ein Drittel der Beschäftigten traut sich nicht, Probleme offen anzusprechen. Die Angst vor negativen Konsequenzen ist groß. Anders sieht es in Betrieben mit Betriebsrat aus: Dort fühlen sich zwei Drittel sicher genug, Missstände zu benennen. Auch das Vertrauen in Führungskräfte ist mit 63 % deutlich höher als in Betrieben ohne Mitbestimmung.

Prävention? Oft Fehlanzeige

Zwar kennt jede:r Vierte betriebliche Richtlinien gegen Gewalt – aber fast die Hälfte weiß gar nicht, ob es solche überhaupt gibt. Anonyme Meldestellen, Schulungen oder Plakate sind selten. Nur ein Drittel kennt interne Meldeverfahren.

Was wirklich hilft: Betriebsrat & klare Regeln

Die Umfrage zeigt deutlich: Dort, wo es Betriebsräte gibt, kommt es seltener zu Übergriffen. Strukturen helfen – das gilt auch für Führung. Schlechter Führungsstil, steigender Arbeitsdruck und Personalmangel gelten für die Beschäftigten als zentrale Risikofaktoren für Gewalt.

Die GPA-Forderungen im Überblick:

  • Schnelle Hilfe nach Vorfällen
    Psychologische Unterstützung soll unbürokratisch und zeitnah bereitgestellt werden – ähnlich wie im Sozialbereich.
  • Mindestbesetzung in den Filialen
    Besonders bei Aktionen oder Stoßzeiten braucht es genug Personal.
  • Gewaltschutzbeauftragte ab 20 Beschäftigten
    Betriebe sollen Ansprechpersonen mit direktem Draht zu Polizei und Hilfsorganisationen benennen.
  • Sicher gestaltete Arbeitsplätze
    Knappe Kassabereiche und enge Gänge können Stress fördern – die räumliche Gestaltung muss überdacht werden.