Seit Franz Wiesbauer Anfang der 1930er Jahre die berühmte Bergsteiger erfand, steht der Name Wiesbauer für typisch österreichische Wurstspezialitäten in bester Qualität. Portrait einer Erfolgsfirma aus Liesing.

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Besuch in der Firma Wiesbauer in Liesing

Qualität aus Liesing

Sogar seine Freunde sind noch immer verblüfft, dass Thomas Schmiedbauer so bodenständig geblieben ist. Immerhin leitet er einen Konzern mit 850 Mitarbeitern und fast 200 Millionen Euro Umsatz. Obwohl er selbst den Ausdruck „Konzern“ gar nicht mag – er bevorzugt „mittelständisches Familienunternehmen“ –, in dem er in allen Betrieben fast jeden Mitarbeiter kennt. Das merkt man auch, als wir mit ihm die Produktion besichtigen. Er geht seinen Weg „mit Überzeugung“. Angetrieben durch Innovationsgeist und Zukunftsdenken ist der Traditionsbetrieb stetig gewachsen und zählt heute zu den größten und bedeutendsten Fleisch verarbeitenden Betrieben Österreichs.

Thomas Schmiedbauer im Interview

Thomas Schmiedbauer
Wiesbauer Geschäftsführer Thomas Schmiedbauer

Was sind die Eckpunkte der Wiesbauer-Philosophie?

Thomas Schmiedbauer: Nach dem frühen Tod von Firmengründer Franz Wiesbauer übernahm seine Witwe Maria Wiesbauer ein für die damalige Zeit großes Unternehmen mit 200 Mitarbeitern. Sie hat meinen Vater für die kaufmännischen Agenden eingestellt. Im Lauf der Jahre hat sie gemerkt, dass er so engagiert ist und die Firma so führt wie seine eigene. Frau Wiesbauer war sehr sozial eingestellt, es war ihr wichtig, dass die Mitarbeiter zu Mittag ein gutes Essen und einen sauberen Arbeitsplatz haben. Als wir hierher übersiedelt sind, war Wiesbauer eines der modernsten Unternehmen in Europa. Da haben wir damals schon Maßstäbe gesetzt. 

Die Bergsteiger ist noch immer das bekannteste Produkt der Firma. Wie wurde sie erfunden?

Franz Wiesbauer war Jäger und ist tagelang auf die Pirsch gegangen. Er nahm sich eine Wiener Wurst mit und hat gemerkt, dass die Wurst immer trockener wird und Wasser verliert. Als er sie aufschnitt, schmeckte sie ihm viel besser. Damals war das eine verrückte Idee, denn man wollte mehr aus der Wurstmasse machen, man produzierte, um den Hunger zu stillen, gab etwa Reis als Füllstoff in die Blutwurst. Und er hat aus einem Kilo Wurst 30 % abgetrocknet. Dieses Abtrocknen der Wurst in einem langsamen Prozess, die entsprechende Würzung und das hochwertige Fleisch sind das Geheimnis des unverwechselbaren Geschmacks.

Welche Produkte macht Wiesbauer heute außerdem?

Wir sind bekannt für rustikale, eher deftige Dauerwurstsorten, wie die Bergsteiger, die gebratene Käsewurst, eine Wiener Dürre doppelt geräuchert, die Beskada, eine schinken­artige, abgetrocknete Wurst. Wir sind heute der größte Wurstexporteur ins Ausland, hauptsächlich Deutschland, und wir verkaufen neben diesen rustikalen, deftigen Produkten auch Bratenspezialitäten und 25 verschiedene Schinken­sorten – von Prosecco-Butter-Schinken bis zum Birkenrauch-Schinken. 

Was ist ein Verkaufsschlager in Deutschland?

Der Kümmelbraten, das Salzburger Scherz’l, die Praterstelze, die sind alle innen ein bisschen schinkenartig und haben eine knackige gebratene Kruste. 

Und im Inland?

Die Wiener Praterstelze, bei der wir Stelzenfleisch auslösen, in eine Form geben, kochen und dann braten. Das war eine von den Innovationen, die wir im Laufe der Jahre gemacht haben, wo wir versuchten, den Puls der Zeit zu treffen. Die Leute wollen zum Kochen und Braten nicht viel Zeit aufwenden. Wir verkaufen das Stelzenfleisch auch aufgeschnitten in einer 80-Gramm-Packung.

Geschmack ist für mich, wenn du die Augen schließt, dir etwas in den Mund steckst, es isst und zu träumen anfängst.

Thomas Schmiedbauer

Wiesbauer zeichnet die Breite der Produkte aus. Haben Sie Expansionspläne?

Ich bin nicht der Typ, der sagt: „Weiter, schneller, höher“, aber natürlich will ich weiterkommen, aber mit Maß und Ziel. Für mich ist schon das Credo, dass ich meine Arbeitsplätze abgesichert haben will. Wir sind eine sehr gesunde Firma, ich will wachsen mit Produkten, die gut schmecken. Die dürfen auch ihren Preis haben, und das funktioniert auch im Großen und Ganzen.

Wie haben Sie persönlich und das Unternehmen die Corona-Pandemie erlebt?

Für unser Gastronomieunter­nehmen war es eine Katastrophe.
Wir machen fast 70 Millionen Euro Umsatz und beliefern 3.000 Restaura­tionen, dort sind wir von einem Tag auf den anderen stillgestanden. Bei der Wurst konnten wir uns vor Aufträgen kaum retten und haben Personal um­dirigiert. Natürlich ist eine Pandemie nichts Schönes, das war schon eine sehr herausfordernde Zeit. Ich war ­keinen einzigen Tag nicht in der Firma, weil ich nach kürzester Zeit erkannt habe, dass die Leute, vor allem in der Produktion, jemanden gesucht haben, wo sie sich anhalten können. Es war einfach wichtig, dass ich als Chef da bin, ich habe viele ­Gespräche ­geführt. Ich versuche immer, das ­Positive zu sehen, aber ich bin wahnsinnig stolz auf die Leute. Dass wir das miteinander durchgestanden haben, da kommt mir jetzt noch die Gänsehaut. Unterm Strich haben wir als Unternehmensgruppe alles mit einem blauen Auge bewältigt.

Was sind die Herausforderungen in der Zukunft?

Das Thema Ukraine-Krieg ­belastet auf vielen Ebenen – Energiepreise, ­Rohstoffverknappung, aber auch ­Folien und Kartonagen sind ein schwieriges Thema.

Wie viele Tonnen Fleisch werden im Jahr verarbeitet?

Am Tag verarbeiten wir zwischen 80 und 100 Tonnen Fleisch, das zu 90 % aus Österreich kommt. Aber ich sehe das nicht so streng, ob es aus der Steiermark, aus Oberösterreich oder Bayern kommt. Die Qualität macht den Unterschied, du kannst aus einem schlechten Fleisch kein gutes End­produkt machen. Die Betriebe, von denen wir die Rohstoffe bekommen, werden von uns regelmäßig besucht und kontrolliert. Da gibt es strenge Vorgaben, vor allem aber auch bei der Produktion und Verarbeitung.

„Wiesbauer Gourmet“ bietet Küche für Restaurants an. Wie entstand dieser neue Zweig?

Das kommt über die Gastronomie, wir haben vor sechs Jahren ange­fangen, Produkte sous vide zu garen. Das Fleisch wird in Vakuum gepackt und bei Niedrigtemperatur über eine lange Zeitspanne gegart, z. B. ein Roastbeef zwischen zwölf und 18 Stunden oder ein Entenbrustfilet. Wir arbeiten daran, diese Produkte auch in Supermärkten für zu Hause anzubieten.

Was ist das Beste an Ihrem Beruf? Das ist schwierig zu beantworten, weil der Beruf so viele interessante und schöne Facetten hat. Aber letztendlich ist das Schönste am Beruf, dass du viele Leute glücklich machen kannst. Einerseits als Arbeitgeber, da gibt es viele motivierende Geschichten. Auf der anderen Seite die Arbeit mit Lebensmitteln, so wie der Name schon sagt: Leben und Mittel. Dass du etwas schaffst, was das Ursprünglichste für die Menschen ist, sich zu ernähren, heute kommt noch der Genuss dazu.

In erster Linie geht es nicht um den Umsatz. das Produkt muss schmecken! Ich muss nicht immer Weiter, höher, schneller.“

Thomas Schmiedbauer

Worüber können Sie einen Vortrag halten, ohne sich vorzubereiten? 

Da gibt es sicher sehr viele Sachen, aber ich würde schon gerne viel mehr Leute darüber informieren, wie ein gutes Lebensmittel und ein qua­litativ hochwertiges Produkt entsteht. 

Gibt es zurzeit konkrete Ziele, die Sie im Leben verfolgen? 

Ich habe eine Jungfamilie. Ich ­möchte mit meiner Frau und meinen beiden kleinen Söhnen das Leben so weiterführen, wie es ist, mit einem entsprechenden Teil Freizeit, aber auch mit einer intensiven Arbeits­tätigkeit. Ich nehme am Kitzbüheler Rad­marathon teil, das ist meine Leidenschaft, ich gehe viel auf den Berg, Skitouren und bergsteigen. Es ist eine Challenge, dieses Unter­nehmen zu führen. Ich stehe sehr oft um fünf in der Früh auf, um eineinhalb Stunden zu laufen, oder ich fahre mit dem Rennrad 70 Kilometer in die Arbeit. Das ist mein Ziel: fit und agil zu bleiben, meine Family zu befriedigen – und mich selbst damit auch – und
das Unternehmen zu führen. 

Was essen Sie am liebsten? 

Meine Lieblingswurst ist eine ­gebratene Käsewurst, aber das, was
ich am wenigsten oft habe, sind ein Kaiserschmarren oder Germknödel. Wenn man meine Family fragt und
die wissen, ich gehe Ski fahren, dann sagen sie sicherlich: „Der isst sicher fünfmal in der Woche Germknödel.“ Das mache ich schon, seit ich klein war. 

Wie endet ein perfekter Tag? 

Mit der Family relaxen, ein Glas Wein trinken mit einem Wurzelspeck dazu. 

Wer oder was ist Ihre größte ­Inspiration? 

Mein Papa, weil er als gelernter Bilanzbuchhalter die Unternehmensgruppe so aufgebaut hat. Vor allem mit dieser Leidenschaft, überall im Detail so drinnen zu sein. Ich will nicht in die Fußstapfen meines Vaters treten, ­sondern so wie er diese Unternehmens­gruppe in die nächste Generation ­führen. Wir wohnen sehr nah bei­einander, ich kann rübergehen und mit ihm abends ein Glas Wein oder ein Bier trinken und mit ihm über Gott und die Welt philosophieren. 

Geschmäcker sind ja bekanntlich verschieden. Was zeichnet denn Geschmack für Sie aus? 

Geschmack ist für mich, wenn du die Augen schließt, dir etwas in
den Mund steckst, es isst und zu ­träumen anfängst. Frau ­Wiesbauer
hat gesagt: „Eine Wurst muss ­schmecken wie ein Zuckerl.“ Du musst immer wieder hingreifen. Ich mache mit meinen ­Geschäftsleitern immer Blindverkostungen, mit ­geschlossenen Augen schmeckt man viel mehr heraus. Und das ist es ­letztendlich, was für mich den indi­viduellen Geschmack ausmacht. 

Weitere Informationen: www.wiesbauer.at

Text: Ursula Scheidl; Fotos Bubu Dujmic