In den USA haben seit Ausbruch der Pandemie 30 Millionen Beschäftigte ihre Jobs gekündigt. Auch in Österreich denken immer mehr Menschen über eine berufliche Veränderung nach. Das zeigt eine aktuelle Auswertung des Arbeitsklima Index. Gründe sind schlechte Arbeitsbedingungen, geringe Entlohnung, fehlende Wertschätzung und hohes Infektionsrisiko.
Hausgemachte Probleme
Die Zahl der Menschen, die ihren Job wechseln wollen, steigt auch in Österreich kontinuierlich an. Waren es im Jahr 2015 noch durchschnittlich 16 Prozent und kurz vor der Corona-Pandemie 20 Prozent, so sagen jetzt schon 26 Prozent der Beschäftigten in Österreich, dass sie in eine andere Firma wechseln oder einen ganz anderen Beruf ausüben wollen.
Besonders hoch ist der Anteil der Wechselwilligen unter Akademikern/-innen und jungen Arbeitnehmern/-innen. Stark gestiegen ist er in den vergangenen beiden Jahren im Verkehr/Nachrichtenwesen, im Unterrichtswesen, im Gesundheits- und Sozialbereich sowie im Handel, also in einigen der systemrelevanten Berufe, die mehrheitlich von Frauen ausgeübt werden. Am höchsten ist der Anteil nach wie vor im Tourismus, wo vier von zehn Beschäftigten an eine berufliche Veränderung denken – „nur“ um vier Prozentpunkte mehr als vor der Pandemie, die die Branche besonders hart getroffen hat. Die Probleme sind also vielfach hausgemacht und lange bekannt.
Schlechte Arbeitsbedingungen
Die Gründe, warum Menschen ihren Job wechseln (wollen), sind vielfältig. Waren vor Corona die individuellen Arbeitsmarktchancen noch die Grundvoraussetzung, den Schritt zur Veränderung zu wagen, so überlegen jetzt immer mehr Menschen einen Jobwechsel auch wegen schlechter Arbeitsbedingungen, die sie sich nicht mehr gefallen lassen wollen. Ein dritter Grund, beim derzeitigen Arbeitgeber zu bleiben oder den Job zu wechseln, ist durch Corona neu hinzugekommen: Mehr als ein Drittel der Beschäftigten, die sich nicht vor einer Ansteckung mit dem Corona-Virus geschützt fühlen und ihrem Arbeitgeber im Umgang mit der Pandemie kein gutes Zeugnis ausstellen, möchten ihren Job in naher Zukunft wechseln.
Getrübte Stimmung
Auch der Arbeitsklima Index als Indikator für die Zufriedenheit der Beschäftigten in Österreich deutet auf eine zunehmende Eintrübung der Stimmung hin. Lag er 2018 noch bei 111 und vor der Pandemie bei 109 Punkten, so ist der Index im Jahr 2021 auf 104 Punkte abgestürzt. Nie zuvor in diesem Jahrtausend waren die Beschäftigten in Österreich so unzufrieden mit ihrer Arbeit und ihrem Leben. Gründe dafür sind Corona, Zeitdruck und ständige Arbeitsbelastung. Sagten 2019 noch rund 20 Prozent aller Beschäftigten, dass sie sich durch Zeitdruck in der Arbeit belastet fühlen, so sind es jetzt schon 31 Prozent. Fast ein Viertel aller Beschäftigten arbeitet nach zwei Jahren Ausnahmezustand unter ständigem Arbeitsdruck.
Umdenken gefordert
Diese Daten sind nicht nur alarmierend, sie zeigen auch schonungslos auf, warum Unternehmen Probleme haben, ihre Beschäftigten halten und neue Mitarbeiter finden zu können. „Wenn sie als attraktive Arbeitgeber wahrgenommen werden wollen, müssen viele Betriebe umdenken“, sagt AK-OÖ-Präsident Andreas Stangl. Er appelliert an die Unternehmen und deren Vertretungen, sich die Ergebnisse des Arbeitsklima Index zu Herzen zu nehmen: „Anstatt zu jammern, dass es keine geeigneten Fachkräfte mehr gebe, sollen die Unternehmen die Arbeitsbedingungen verbessern, faire Löhne und Gehälter zahlen, mehr Respekt vor den Leistungen der Beschäftigten zeigen, die Gesundheit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Betrieb schützen und die rechtlichen und kollektivvertraglichen Bestimmungen einhalten.“