Mit religiösen Tattoos zu kirchlichem Preis

Auch der Franziskanerpater Sandesh Manuel ließ sich beim „Free Tattoo Walk-In“ ein religiöses Motiv stechen. ©Canisiuswerk/LCioni-20

Im April gab es im Begegnungszentrum „Quo Vadis?“ der Ordensgemeinschaften Österreich einen so genannten „Free Tattoo Walk-In“. Dabei konnten sich Interessierte am Stephansplatz gratis religiöse Motive tätowieren lassen. Mit dieser Aktion hat das Zentrum nun den zap:innovationspreis 2023 gewonnen.

Das Interesse nach der Ankündigung war enorm: Binnen kürzester Zeit gingen mehr als 400 Anmeldungen zum Tätowieren ein. Auch für viele Medien im In- und Ausland waren die „kostenlosen Peckerln in der katholischen Kirche“ eine gern aufgegriffene Story. „Kunst, Kreativität und Glaube geht unter die Haut – damit hat das Projekt begeistert und überzeugt“, erklärte die Jury des Bochumer Zentrums für angewandte Pastoralforschung (zap) bei der Preisverleihung. Es sei ein Türöffner für Glaubensgespräche mit jüngeren und älteren Menschen gewesen.

Gratis „Peckerln“ von bekanntem Tätowierer

Der renommierte Tattoo-Artist Silas Becks aus Stuttgart war beim „Free Tattoo Walk-In“ in Wien vor Ort, um die kostenlosen „Peckerln“ zu stechen. Am Vorabend der Tattoo-Aktion fand ein Gottesdienst für „bunte Menschen“ und eine Podiumsdiskussion über die kontroverse Stellung der Tätowierung im Christentum statt. Christopher Paul Campbell, Leiter des „Quo vadis?“, sagt damals über die Aktion: „Es geht darum, die Geschichten hinter den Tätowierungen wahrzunehmen, den Glauben in allen Dingen zu finden. Daher sehen wir die Tätowierung im Zusammenhang mit der tiefen Spiritualität der christlichen Religion.“

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Tattoo-Gottesdienst mit eigenem Tattoo-Segen

Der Innovationspreis wurde von Campbell in Hannover entgegengenommen. Der Theologe freute sich sehr über die Anerkennung und sah darin eine Bestätigung für den eingeschlagenen Weg. Mit dem „Free Tattoo Walk-In“ wollte er eine katholische Perspektive auf das heute alltäglich gewordene Phänomen von Tätowierungen ermöglichen, „die nicht auf Verbot und Ablehnung, sondern auf Freundlichkeit und Augenhöhe basiert“. Gleichzeitig sei das Interesse an Spiritualität niemandem abzusprechen. „Es geht darum, die Zeichen ernst zu nehmen, die Menschen sich selbst geben“, so Campbell weiter“. Wichtig sei ihm auch gewesen, Anschluss an andere Rituale der Kirche zu finden – etwa durch den begleitend angebotenen Tattoo-Gottesdienst und einen dort gespendeten Tattoo-Segen mit einem eigens dafür formuliertem Wortlaut.

„Think-Tank“ für kirchlichen Wandel

Das zap gehört zum Lehrstuhl für Pastoraltheologie der Katholisch-Theologischen Fakultät der Ruhr-Universität Bochum und versteht sich als Think-Tank für den kirchlichen Wandel. Mit dem Innovationspreis sollen Projekte ausgezeichnet werden, die als Treiber von Neuerungen gelten und die Kirche dadurch nach vorne bringen. Prof. Dr. Matthias Sellmann, Leiter des zap: „Kirche ist vielfältig, kreativ und inklusiv. Das möchten wir mit unserem Preis betonen!“ Nach 2017 und 2021 wurde die Auszeichnung heuer zum dritten Mal verliehen.