Am Rande des 11. Bezirks, wo sich der Hafen Albern in die Donau schmiegt, verbirgt sich ein Ort, wie es ihn kein zweites Mal gibt. Der Friedhof der Namenlosen ist klein, unscheinbar und doch von tiefer Symbolkraft. Hier ruhen rund sechshundert Menschen, die der Strom zwischen 1840 und 1940 ans Ufer trieb. Viele von ihnen blieben ohne Namen, ohne Angehörige, ohne Abschied. Und dennoch: Vergessen sind sie nicht.

Ein Ort der Stille und Erinnerung

Wer den schmalen Weg durch das Hafengelände nimmt, spürt sofort, dass dieser Ort anders ist. Keine prunkvollen Grabsteine, keine großen Namen, nur einfache Hügel, eiserne Kreuze, manchmal ein Datum, manchmal das Wort „namenlos“.

Der Friedhof entstand, weil die Donau immer wieder Opfer brachte: Menschen, die verunglückten, verschwanden, verzweifelten. Zunächst lagen ihre Gräber nah am Ufer, doch Hochwasser zerstörte sie immer wieder. 1900 wurde der Friedhof schließlich hinter den Damm verlegt. 1935 kamen eine steinerne Mauer und die Auferstehungskapelle hinzu, die bis heute in schlichter Würde erhalten ist.

Mit dem Bau des Hafens Albern 1939 änderten sich die Strömungen, und keine weiteren Leichen wurden mehr angeschwemmt. Die letzte Beerdigung fand 1940 statt. Heute wird der Friedhof von der Stadt Wien und dem Hafen Wien gepflegt – als Mahnmal, Ort des Gedenkens und stilles Denkmal der Mitmenschlichkeit.

Die 1935 errichtete Auferstehungskapelle ist bis heute in schlichter Würde erhalten. © Wien Holding

Die 1935 errichtete Auferstehungskapelle ist bis heute in schlichter Würde erhalten. © Wien Holding

Der beherzte Hüter der Vergessenen

Ein Name aber darf auf diesem Friedhof nicht vergessen werden: Josef Fuchs. Der Totengräber, geboren 1906, widmete fast sein ganzes Leben den „Namenlosen“. Mit Empathie und detektivischem Spürsinn versuchte er, die Identität der Toten zu klären, schrieb Anzeigen, verglich Beschreibungen und gab so manchem sein Gesicht zurück. Seine Familie führt diese Tradition bis heute fort, pflegt Gräber, Kapelle und Wege. Wer den Friedhof besucht, spürt den Geist dieses Engagements: Es ist leise, respektvoll, menschlich.

Gedenken 2025: Rituale des Erinnerns

Auch heuer finden zu Allerheiligen und Allerseelen wieder besondere Gedenkfeiern statt:

  • 1. November 2025, 16.30 Uhr: Andacht und Gräbersegnung

  • 2. November 2025, 15.30 Uhr: Heilige Messe für Verstorbene und Hinterbliebene

  • 9. November 2025, 14 Uhr: Traditionelle Kranzlegung des Fischereivereins Albern

Besonders bewegend ist das jährliche Ritual am ersten Sonntag nach Allerseelen. Ein von den Fischern gebautes, mit Blumen geschmücktes Floß wird in die Donau gesetzt – als Gruß an jene, die nie gefunden wurden. Ein kleiner Stein trägt die Aufschrift „Den Opfern der Donau“ in Deutsch, Tschechisch und Ungarisch und die Bitte, das Floß weiterzustoßen, falls es am Ufer landet.

Ein Ort der Stille und des Erinnerns: Der Friedhof der Namenlosen. © Wien Holding

Ein Ort der Stille und der Erinnerung: der Friedhof der Namenlosen. © Wien Holding

Ein Weg, der sich lohnt und tröstet

Seit 2019 führt ein beschilderter Pfad direkt vom Endpunkt der Buslinien 76A und 76B in etwa 600 Metern zum Friedhof. Die Kapelle wurde liebevoll restauriert, Altarbild und Sakristei erstrahlen in neuem Glanz. Wer hierherkommt, findet keine Traurigkeit, sondern Frieden. Zwischen Donau und Wind, Eisenkreuzen und Gras wächst das stille Bewusstsein, dass kein Mensch wirklich vergessen ist.

Information zum Friedhof der Namenlosen