Eine neue Gedenktafel erinnert am Rudolf-Sigmund-Hof an die Opfer des systematischen Völkermord an der jüdische Bevölkerung durch das Nazi-Regime. Mindestens 32 Bewohner des Gemeindebaus in der Gersthoferstraße wurden 1938 aus dem Haus von den Nazis vertrieben. Manche konnten fliehen, viele wurden Opfer des Holocaust. Vizebürgermeisterin Kathrin Gaál und Währings Bezirksvorsteherin Silvia Nossek enthüllten am Montag, 09. Mai, die Gedenktafel.
„Erinnern ist unsere Verantwortung“
Bereits im März 1938 stieg die Gewalt gegen jüdische Bewohner in Wien zunehmend. Neben Berufsverboten, Ausschluss von jüdischen Schülern von Schulen, gab es zudem die ersten Gewaltexzesse auf den offenen Straßen.
„Die Geschichte und die Schicksale der jüdischen Bewohnerinnen und Bewohner für alle sichtbar zu machen und sichtbar zu halten ist uns ein ganz wichtiger Auftrag. Die weitere Aufarbeitung und das Aufzeigen der nationalsozialistischen Vernichtungspolitik, die Nachbarinnen und Nachbarn entmenschlicht hat, um sie wenig später aus ihren Wohnungen zu vertreiben und ihr Leben zu vernichten, darf niemals vergessen werden und muss uns immer Mahnung für das Heute sein und für die Zukunft bleiben. Das Geschehene in Erinnerung zu behalten ist dabei unsere Verantwortung. “, betont Frauen- und Wohnbaustadträtin Kathrin Gaál.
Grausames Unrecht
In weiterer Folge begann auch die Vertreibung der Bewohner aus ihren Häusern und Wohnungen. Auch in der Gersthofer Straße 75-77 wurden 32 Männer, Frauen und Kinder von der nun nationalsozialistischen Hausverwaltung vertrieben. Während manche von ihnen noch ins Ausland fliehen konnten, wurden viele Opfer des Holocausts.
„In den Jahren des nationalsozialistischen Terror-Regimes wurde auch in Währing hunderten Bürgerinnen und Bürgern grausames Unrecht angetan. Ich bin froh über jede Initiative des Gedenkens: um die Opfer nicht in Vergessenheit geraten zu lassen, und um uns daran zu erinnern, dass Zivilisation und Frieden keine unumkehrbaren Prozesse sind, und Rohheit und Brutalität sehr schnell wieder die Oberhand gewinnen können“, so Bezirksvorsteherin Silvia Nossek.
Ruth Maier
Die Familie der 18-jährigen Ruth Maier lebte ebenfalls an dieser Adresse. Während sie 1939 noch nach Norwegen fliehen konnte, wurde ihre jüngere Schwester mit einem Kindertransport nach England geschickt. Nach der Besetzung des Landes durch Nationalsozialisten wurde sie dort im November 1942 in Oslo verhaftet und nach Auschwitz deportiert. Ruth Maier wurde im KZ ermordet.
Ihre Tagebücher und Briefe, die sie von 1933 bis zu ihrem Tod verfasste und die ihren Alltag, politische Ereignisse und die Verfolgung der Juden und Jüdinnen schildern und dokumentieren, sind Teil des Weltdokumentenerbes der UNESCO (Memory of the World).