Der Tiergarten Schönbrunn geht zukünftig ganz eigene Wege. Jungtiere, die hier das Licht der Welt erblicken bleiben in Zukunft namenlos – zumindest gegenüber der Öffentlichkeit. Damit will Direktor Stephan Hering-Hagenbeck den Fokus weg vom einzelnen Individuum hin auf den Artenschutz richten.
Koala-Mädchen “Millaa Millaa”, Eisbärin “Finja” oder Pandabärin “Yang Yang” – viele der Publikumslieblinge im Tiergarten Schönbrunn haben einen Namen – doch das soll nun der Vergangenheit angehören. In Zukunft bleiben die Jungtiere, die hier das Licht der Welt erblicken gegenüber den Besuchern namenlos. Und das hat einen Grund. “In der Kommunikation nach außen möchte sich der Tiergarten Schönbrunn verstärkt auf seine Hauptaufgabe konzentrieren: den Artenschutz.”, so Stephan Hering-Hagenbeck, der Direktor des Tiergartens.
Schönbrunn als Vorreiter
Eine im deutschsprachigen Raum einmalige Entscheidung, die der Direktor so begründet: “Wir hoffen, dass wir es schaffen, die Dringlichkeit von Artenschutz noch weiter in den Fokus zu rücken. Denn es ist unsere Verpflichtung als wissenschaftlich geführter Zoologischer Garten, so viele Arten wie möglich auf unserem Planeten zu erhalten und dazu brauchen wir die Unterstützung von jedem einzelnen. Wir sind uns bewusst, dass wir hier bei den deutschsprachigen Zoologischen Gärten einen Vorreiterrolle einnehmen. Aber alle großen NGOs im Bereich Artenschutz emotionalisieren ohne Tiernamen zu verwenden. Diesen Weg möchten wir nun auch beschreiten – unserer Hauptaufgabe nachgehend, dem Artenschutz. Wir wissen, dass wir hier eine Vorreiterrolle einnehmen und einen mutigen Schritt gehen. Wir sind aber im ständigen Austausch mit den anderen Zoologischen Gärten dazu und viele verfolgen unser Vorgehen ganz genau und sind schon auf unsere ersten Erfahrungsberichte gespannt.”
Die Zeit drängt, wie der Direktor sagt: “Bei vielen Tierarten ist es 5 vor 12 und wir müssen dieses brisante Thema noch stärker in den Fokus rücken. Indem wir Tiere weniger individualisieren, legen wir den Schwerpunkt in der Kommunikation auf die Arten und wecken ein Bewusstsein für ihren dringenden Schutz, bevor einige davon vielleicht für immer von unserer Erde verschwinden.”
Dazu kommt noch, dass die Namensgebung vor allem einzelnen Tieren vorbehalten war, die gemeinhin als herzig gelten. Bei Leguanen, Schlangen oder der sensationellen Nachzucht der Leuchtquallen hat sich diese Frage nie gestellt. Jetzt sind alle Tiere gleich, keines ist mehr gleicher. “Das Thema Artenschutz ist für unsere Begriffe noch zu wenig präsent. Die Namensgebung war stets nur bei einer ausgewählten Anzahl von Tieren überhaupt ein Thema. Bei Giraffen, Orang-Utans oder Tigern werden wir nach Namen gefragt, bei einem Feuersalamander nicht. Wir sollten Tiere aber nicht werten. Gerade der Feuersalamander bräuchte nämlich besonders unsere Emotionen und in Folge unseren Schutz, mitten im großen Amphibiensterben.”, so der Direktor.
“Namenloses” Orang-Utan-Mädchen
Erst gestern berichtete das Wiener Bezirksblatt über eine wundervolle Nachricht. Kürzlich erblickte im Tiergarten Schönbrunn ein Orang-Utan-Jungtier das Licht der Welt. Die junge Dame ist jetzt die erste, der die zweifelhafte Ehre zuteil wird zukünftig im Namen des Artenschutzes offiziell ohne Namen durchs Leben zu schwingen. Allerdings nur gegenüber den Besuchern. Intern ist das anders. “Ein Name ist für die tägliche Arbeit unserer Tierpflegerinnen und Tierpfleger entscheidend, aber auch ein Zeichen der Verbundenheit mit unseren Tieren, die uns enorm wichtig sind.”
Somit sei hier verraten: Das Orang-Utan-Mädchen wird inoffiziell zukünftig auf den entzückenden Namen “Nilah” hören, wie das Wiener Bezirksblatt erfahren konnte. Dieser kommt aus dem Indonesischen und bedeutet soviel, wie “Erfolg”. Was überaus passend ist, gilt die Nachzucht doch als großer Erfolg für die Art der Orang-Utans an sich.
“Dieser Weg ist generell ein Prozess, wir sind erst ganz am Anfang und möchten die Menschen auf diesem Weg mitnehmen. Das ist ganz wichtig. Das Patenschaftssystem haben wir beispielsweise schon vor über einem Jahr umgestellt. Auch hier geht es darum, das Interesse auf eine Tierart / Tiergruppe zu lenken und nicht auf ein spezielles Individuum. Und die Patenschaften erfreuen sich ungebrochen großer Beliebtheit.”, so Stephan Hering-Hagenbeck abschließend.