Die Psychiaterin Mag. Dr. Michaela Leopold erklärt im Gespräch mit dem Gesundheitsportal DocFinder, warum die Adventwochen so herausfordernd sein können und was Betroffene tun können, um gut durch diese Zeit zu kommen.

Stress statt Stille: Warum die Adventwochen belasten

Von „Stillen Tagen“ kann für viele keine Rede sein. Projekte müssen vor Jahresende abgeschlossen werden, der Handel steht unter Hochdruck, und privat reiht sich Termin an Termin. „Diese Belastung trifft Menschen unterschiedlich. Für suchtgefährdete Personen kann sie jedoch zu einer ernsthaften Gefahr werden“, sagt Leopold. Besonders Menschen mit psychischen Vorerkrankungen wie Angststörungen oder Depressionen seien gefährdeter. „Alkoholabhängigkeit entsteht selten ohne zugrunde liegende psychische Belastung.“

Weihnachtsgefühle und Alkohol – eine gefährliche Mischung

Neben dem Stress spielt auch die emotionale Bedeutung des Weihnachtsfests eine Rolle. Erinnerungen aus der Kindheit, Erwartungen an Harmonie und Perfektion sowie die Angst vor Enttäuschung sorgen in vielen Haushalten für Druck. „Nicht selten führt das zu Konflikten – und manche greifen dann zur Flasche“, warnt Leopold. Gleichzeitig ist das Alkoholangebot im Dezember größer denn je: von Firmenfeiern über Punschstände bis zur Weinbegleitung beim Festessen.

Warnsignale ernst nehmen – riskante Situationen meiden

Sich vollständig zu isolieren sei keine Lösung, betont Leopold. Allerdings sollten Betroffene bewusst Angebote meiden, die sie in Versuchung bringen. „Wer immer auf dem Christkindlmarkt Punsch getrunken hat, wird dort eher rückfällig. Auch Treffen, bei denen traditionell viel getrunken wird, sollte man besser auslassen.“

Zu den Warnsignalen zählen:

  •  anhaltende schlechte Stimmung
  • innere Unruhe
  • Angst oder Überforderung

In manchen Fällen kann eine Bedarfsmedikation helfen. „Schmelztabletten etwa können Drucksituationen entschärfen – der richtige Zeitpunkt der Einnahme ist jedoch entscheidend“, erklärt die Expertin. Schon ein einziger Schluck Alkohol gilt bei ehemaligen Abhängigen als Rückfall.

Problematischer Konsum – ab wann wird’s kritisch?

Laut dem aktuellen OECD-Bericht Health at a Glance 2025 trinken Menschen in Österreich nach wie vor 11,3 Liter reinen Alkohol pro Person und Jahr – ein Spitzenwert im internationalen Vergleich. Problematisch wird es laut Leopold spätestens dann, „wenn Alkohol zur einzigen Möglichkeit wird, zu entspannen – oder wenn man immer mehr braucht, um denselben Effekt zu erzielen.“

Für Personen mit Suchtvorgeschichte empfiehlt sie, im Dezember vermehrt auf Nachbetreuungsangebote zu setzen und frühzeitig ärztliche Unterstützung zu suchen. DocFinder-Geschäftsführer Gerald Timmel ergänzt: „Unser digitales Gesundheitsportal erleichtert Betroffenen die Suche nach geeigneten Ärztinnen und Ärzten und bietet flexible Online-Terminvereinbarungen – gerade in belastenden Zeiten wie diesen eine wichtige Unterstützung.“

 

Gerald Timmel | ©DocFinder

Dr. Michaela Leopold | ©Daniela Krawath-Weiss