„Die wenigsten hier leben von Zinsen!“

(C) Krause: Bezirksvorsteher Peter Jagsch
(C) Krause: Bezirksvorsteher Peter Jagsch

Hernals ist nun seit 130 Jahren bei Wien. Der Bau der U5 über den Elterleinplatz bis zum Bahnhof Hernals wird den 17. Bezirk im nächsten Jahrzehnt gravierend verändern. Das WIENER BEZIRKSBLATT traf den Bezirksvorsteher Peter Jagsch zum Interview.

WIENER BEZIRKSBLATT: 130 Jahre Hernals – was bedeutet das für den Bezirk und den Bezirkschef?

Peter Jagsch: Für den Bezirk bedeutet das jedenfalls, dass wir mittlerweile eine lange Tradition haben in Wien. Wir sind nicht die Ältesten und auch nicht die Jüngsten in der Stadt, aber Hernals hat irrsinnig viel einbringen können in die wachsende Gemeinde von Wien. Abgesehen von den drei Ortsteilen, denn Hernals war schon immer ein Vorreiterbezirk in der Region. Ich denke dabei etwa an die Kultur. Wir waren und sind ein Kulturbezirk mit sehr lebendiger und interessanter Kulturszene.

Sind da nicht Veranstaltungsstätten mit der Schleifung des Linienwalls abgerissen worden?

Ja, das stimmt. Aber wir haben immer noch das ehemalige Klein, das jetzige „Metropol“, das hervorragend funktioniert. Wir haben die „Kulisse“ und das ehemalige Gschwandner, das jetzt „ Reaktor“ heißt. Es war einige Jahrzehnte stillgelegt und ist aus dem Dornröschenschlaf geholt worden. Und es gibt eine lebendige Kulturszene außerhalb der Kulturstätten, die im öffentlichen Raum aktiv ist. Seit 21 Jahren etwa gibt es das OpenAir „Volxkino“ am Dornerplatz und den „Gürtel Nightwalk“, der bald seinen 25. Geburtstag feiern wird.

Von Kultur allein kann man aber nicht leben. Sind die Hernalser nicht auch fleißige Menschen?

Ja, die Hernalserinnen und Hernalser sind in der Tat sehr fleißig und haben immer wieder innovative Ideen. Ich denke da etwa im historischen Kontext an den „Engelmann“, die erste Kunsteisbahn der Welt. Die Eisbahn wurde 1909 eröffnet und Ingenieur Engelmann hat über sein Hobby das Eiskunstlaufen revolutioniert und für Österreich einen Leuchtturm errichtet. Die österreichischen Sportler konnten dadurch weltweit tolle Erfolge erzielen.

Damals wurde auch die Manner-Fabrik errichtet und Rast & Gasser nahm die Produktion auf. Später folgten die Reichert-Werke und der Radio- und Fernsehproduzent Ingelen. Der größte Betrieb in Hernals ist aber immer noch das Krankenhaus Göttlicher Heiland mit mehr als 700 Beschäftigten!

Kann man Hernals als Arbeiterbezirk bezeichnen?

Kann man schon, weil sehr viele Menschen, die hier leben, auch arbeiten und in Betrieben tätig sind (lacht). Die wenigsten hier leben von Zinsen! Aber so wie sich die Gesellschaft verändert hat, hat sich auch der Bezirk verändert. Wir haben nach wie vor sehr viele Gewerbebetriebe.

Erst kürzlich hat der Fleischhauer Metzker eine hohe Auszeichnung bekommen. Trotzdem gibt es aktuell ein Geschäftssterben und Veränderungen in der Bevölkerungsstruktur. Das sehe ich nicht so. Natürlich gibt es eine Art Kulturwandel. Aber Corona hat ja auch dazu beigetragen, dass sich immer mehr Kunden auf das Internet verlegt haben.

Wir wollen jetzt gemeinsam mit der Förderung der Wirtschaftskammer und der Stadt die Hernalser Hauptstraße als „Einkaufs-Quartier“ zukunftsfit machen. Dabei wird es noch viele Herausforderungen geben.

Hernals gibt es 130 Jahre. Sie sind erst 250 Tage Bezirkschef. Was haben Sie in dieser Zeit schon verwirklichen können?

Wir haben in der Bezirksverkehrskommission etwa den Ausbau der Verkehrssicherheit beschließen können. In Straßenzügen, wo das Überqueren schwierig ist, wird es neue Piktogramme geben. Und wir diskutieren ein Tempolimit in der Nacht. Da kommt dann auch noch die Beseitigung von Lärmquellen hinzu. Wir suchen derzeit für die Hormayrgasse mit den Wiener Linien einen Konsens für die Zeit nach 22 Uhr.

Ist Tempo 30 in Hauptstraßen nicht umstritten?

Die StVO definiert das genau. Hätte der Gesetzgeber Tempo 30 in Hauptstraßen zulassen wollen, dann hätte er es sicher bei der letzten Novelle gemacht. Deshalb braucht es besondere Voraussetzungen wie Gefahrenstellen oder Unfallhäufigkeit. Die Behörde braucht dazu ein Maß an Weitsicht und den Respekt der Bürger. Die Verkehrsorganisation zum U-Bahn-Bau wird die große Herausforderung für uns. So müssen wir etwa einen Schienenersatzverkehr auf der Linie 9 einführen. Wenn alles fertig ist, wird es aber die große Errungenschaft sein.