Österreich trauert! Hannes Androsch in Wort und Bild

Von 1970 bis 1981 war Hannes Androsch als Finanzminister der SPÖ-Regierung bedeutender Teil der Reformen unter Kreisky. Im einem der letzten WBB-Interviews spricht er über aktuelle Themen der Zeit (Bild: Stefan Diesner).

Einer der schillerndsten Politiker des Landes ist gestorben: Hannes Androsch (86). Einst Superstar unter Kreisky war er wegen privater Geschäfte nicht unumstritten. In den letzten zwei Jahrzehnten war er eine mahnende Stimme, die gehört wurde – wie bei den Interviews mit dem Wiener Bezirksblatt.

Als Wiener Bezirksblatt hatten wir nicht oft, aber doch regelmäßig die Ehre, den Ex-Vizekanzler, Finanzminister und späteren Industriellen (Salinen, ATS) interviewen zu können. Es waren stets spannende und erhellende Gespräche, da sich der gebürtige Floridsdorfer Hannes Androsch nie ein Blatt vor den Mund nahm. Er wollte das Beste für Österreich – und ärgerte sich oft über Stillstand und Faulheit. Hier einige Auszüge aus den WBB-Interviews der letzten Jahre.

Zur ihm wichtigen Bildungsfrage: “Wir sind im Bildungsbereich ein schwerer Nachzügler in Europa – die traurigen Ergebnisse der PISA-Studie belegen das. Das beginnt damit, dass wir nicht flächendeckend und zeitdeckend Kindergartenbetreungsplätze haben. Wir haben kein verbindliches Vorschuljahr, das allenfalls ja auch schon Englisch vorsieht. Wir haben nicht genügend Lehrer für die Volksschulausbildung, insbesondere dort, wo sehr viele Zuwanderungskinder sind, die eine besondere Ausbildung brauchen.”

Universitäten und Forschung werden zu wenig gefördert: “Unsere 21 Universitäten haben nicht einmal das halbe Budget der Schweizer Universitäten. Im Vergleich hat die technische Universität in Wien das Fünftel der vergleichbaren Schweizer Uni. Und wir sind im Forschungsbereich weit hinter Finnland, Schweden, Deutschland und der Schweiz. Das heißt, es mangelt uns an Qualifikation und an Stil, die entscheidend ist für Beschäftigung und Kreativität.”

Über die Wichtigkeit von bestimmten Berufsgruppen: “Es gibt keinen wichtigeren Beruf als jenen des Lehrers. Der zweitwichtigste ist dann der Arzt, aber das ist schon eine Folgeerscheinung. Übrigens auch eine Frage der Ernährung und der Bewegung und hängt auch mit der Schule am Rande zusammen. Lehrer zu sein muss die Kunst sein, lernen zu lehren. Nicht einzutrichtern auf der Schiefertafel, mit dem Griffel und mit dem Staberl.”

Über seine Vorliebe zu Büchern: “Ich habe 30.000 Bücher – in Wien, aber auch in Altausee. Der größte Teil sind Sachbücher aus allen Bereichen, aber vor allem im Hinblick auf meine Hauptinteressen Politik, Geschichte und dergleichen. Sehr viele der Bücher sind englisch-sprachig und beschäftigen sich mit Weltthemen. Aber ich habe auch Freude an der Belletristik: von Shakespeare über die deutschen Klassiker von Heine bis Bert Brecht, Max Frisch und Dürrenmatt.”

Über die Teuerung im Herbst 2022: “Eine importierte Inflation geht mit Einbußen im Wohlstand einher. Das kann nicht mit Einmalzahlungen ausgeglichen werden, vor allem nicht nach dem Gießkannen-Prinzip. Die sozial Schwachen müssen jetzt gestützt werden, ganz klar. Da helfen Transferleistungen.”

Zur Energiekrise meinte der einstige Finanzminister: “Die Menschheit hat Energie, vom Feuer über den Wind bis zu den fossilen Energien, immer dazu genutzt, das Leben einfacher und produktiver zu gestalten. Der Schlüssel zum Erfolg ist die Energieeffizienz.”

Talk auf der Bühne 2023: Dr. Hannes Androsch (l.) und Dr. Siegfried Sellitsch: „Studieren muss für alle möglich sein.“

Und das letzte WBB-Interview mit Hannes Androsch im Herbst 2022:

Hans Steiner
Chefredakteur