Wiener Cottage: 150 Jahre im Grünen

(C) Verena Podiwinsky: Die Geschicke des Cottage Vereins lenkt eine Gemeinschaft engagierter Herren (v. l.): DI Wolfgang Gräsel, Dr. Erich Stöger, DI Thomas Feiger, Mag. Michael Stergar und Dr. Daniel Reischer.
(C) Verena Podiwinsky: Die Geschicke des Cottage Vereins lenkt eine Gemeinschaft engagierter Herren (v. l.): DI Wolfgang Gräsel, Dr. Erich Stöger, DI Thomas Feiger, Mag. Michael Stergar und Dr. Daniel Reischer.

Das Wiener Cottage ist eine der vornehmsten und teuersten Wohngegenden Wiens. Und auch wenn der Gedanke, Siedlungen mit kleinen Häusern im Grünen zu bauen, aus England stammt, kursiert immer noch die französisierende Bezeichnung „Kotteesch“ für das Viertel, das sowohl in Währing als auch in Döbling liegt. Heute wohnen in dem lebenswerten und teuren Viertel etwa 6.000 Menschen.

Frische Luft

Es war am 24. Jänner 1872, als die Herren Dr. Eduard Kral und Carl Borkowski bei der k. k. Statthalterei in Wien die Gründung des Wiener Cottage Vereins beantragten. Kral arbeitete in der Rechtsabteilung der Bodencreditanstalt, Borkowski war als Architekt im Büro des damals schon berühmten Heinrich Ferstel beschäftigt. Die Idee war, im Gegensatz zu Zinskasernen, in denen oft entsetzliche hygienische Bedingungen herrschten, den Bewohnern einer Cottage-Siedlung die Vorteile von freier Aussicht, frischer Luft und Grünblick zu bieten.

Zunächst erwarb der Verein ein Areal an der Türkenschanze und ließ Ende 1872 die ersten Häuser errichten. In Döbling begannen die Bauarbeiten erst 1885. Das Prinzip der gesamten geplanten Anlage lautete: 25 Prozent Baufläche, 75 Prozent Garten. Die Häuser mussten straßenseitig liegen und einen Vorgarten besitzen, die hinten gelegenen Hausgärten mussten aneinander stoßen, um einen kleinen Park und ein großes Luftreservoir zu schaffen.

Gemeindebauten

Um diese Gestaltung für alle künftigen Eigentümer rechtlich abzusichern, wurde eine entsprechende Verpflichtung im Grundbuch eingetragen – die heute noch bestehende „Cottage-Servitut“. Interessanterweise übernahmen die Architekten der Wiener Gemeindebauten die Cottage-Struktur zum Teil: Die Häuser sind zwar wesentlich höher und besitzen in der Regel keine Vorgärten, dafür wurde im Inneren für großflächige Grünanlagen gesorgt.

(C) Verena Podiwinsky: Der Cottage Verein hat 240 Mitglieder, die je zur Hälfte in Währing beziehungsweise Döbling wohnen.

Die ursprüngliche Cottage-Idee, gesunden Wohnraum vor allem für Beamte, Offiziere und deren Witwen zu schaffen, wurde durch den Börsenkrach am 9. Mai 1873 zunichte gemacht. Der Cottage Verein konnte Kaufwilligen keine Finanzierungshilfen mehr anbieten, und so kamen deutlich höher begüterte Personenkreise zum Zug: Universitätsprofessoren, Ärzte, Rechtsanwälte oder Industrielle. Dazu gesellten sich prominente Künstler wie Felix Salten, Emmerich Kálmán oder Arthur Schnitzler. „In der jüngeren Vergangenheit wohnten hier auch Johannes Heesters und zeitweilig Peter Alexander“, erzählt Erich Stöger, Präsident des Cottage Vereins. Darüber hinaus beherbergt das Cottage-Viertel elf Botschaften.

Insgesamt stehen heute 640 Häuser auf dem Areal, einige Familien wohnen bereits in sechster Generation im Cottage. Was den Erwerb von Grundstücken für Immobilienfirmen weniger attraktiv mache, seien die starken gesetzlichen Beschränkungen betreffend der Zerstörung der bestehenden Strukturen, betont Stöger. Und auch das öffentliche Interesse an Umweltschutzgedanken habe die Risiken für Immobilienentwickler erhöht.

Foto-Ausstellung

(C) Katharina Schiffl: Eröffnung der Ausstellung durch (v. l.) Thomas Feiger (Cottage Verein), Silvia Nossek (BV 18) und Daniel Resch (BV 19).

Um seine „ersten 150 Jahre“ zu dokumentieren, hat der Cottage Verein ein 374 Seiten starkes Buch herausgebracht sowie eine Freiluft-Ausstellung ins Leben gerufen: Am Zaun des Türkenschanzparks entlang der Gregor-Mendel-Straße hängen mehr als 50 auf Plakatformat vergrößerte Bilder, Pläne und Ansichtskarten, die noch bis Jänner 2023 die Entstehung des Cottage-Viertels illustrieren.

Kurios und wissenswert

-) Ursprünglich sollte das Cottage im dritten Bezirk entstehen.

-) Nach dem zweiten Weltkrieg war das Cottage zunächst sowjetisches, dann amerikanisches Besatzungsgebiet.

-) Das Cottage beherbergte einst eine Freiluft-Eislaufbahn und Tennisplätze.