Schaurig-schön: Der Friedhof der Namenlosen

(C) Diesner: Der Friedhof der Namenlosen befindet sich am Hafengelände des Alberner Hafen.
(C) Diesner: Der Friedhof der Namenlosen befindet sich am Hafengelände des Alberner Hafen.

Der Friedhof der Namenlosen ist einer der einzigartigsten und gespenstischsten Orte Wiens. Er liegt am Alberner Hafen, dort wo das Hafengelände wieder in den Auwald übergeht. Am Friedhof der Namenlosen wurden die meist anonymen Opfer Donau von 1840 bis zum Jahr 1940 bestattet.

Letzte Ruhe

(C) Diesner: Die Gräber sind einfach gehalten.

Ein Wasserwirbel fing hier neben morschem Treibholz auch an die 600 Leichen ein. Ermordete, Unfallopfer, Selbstmörder, Opfer ungeklärter Kriminalfälle – meist unbekannte Tote aus der Donau, die hier angeschwemmt und gleich begraben wurden. Die frühesten Gräber fielen durch Überschwemmungen immer wieder der Natur zum Opfer, daher wurde der Friedhof der Namenlosen im Jahr 1900 an seinen heutigen Standort verlegt, jenseits des Schutzdammes.

(C) Diesner: Seit dem Jahr 1900 befindet sich der stillgelegete Friedhof der Namenlosen auf seinem heutigen Standort.

Die Grabstätten sind einfache, schmucklose Erdhügel, ohne Umrandung und ohne Grabstein. Geschmückt sind sie nur mit schlichten schmiedeeisernen Kreuzen – die einzigen Zeugen, die noch an die Opfer des Flusses erinnern. An manchen Gräbern findet sich noch ein Schild, auf dem „namenlos“, „unbekannt“, „männlich“, „weiblich“ oder ein Datum steht. Im Zeitraum von 1900 bis 1940 wurden am Friedhof rund 100 Wasserleichen beerdigt. Nur ein Teil davon konnte identifiziert werden.

Stillgelegt

Als dann im Jahr 1939 der Hafen Albern mit seinen Getreidesilos gebaut wurde, änderten sich durch die Hafenregulierung auch die Strömungsverhältnisse im Donaustrom. Seither werden keine Leichen mehr an dieser Stelle angeschwemmt. Falls doch, dann werden diese Toten auf dem Wiener Zentralfriedhof beerdigt. Auf dem Friedhof der Namenlosen fand nach offiziellen Quellen die letzte Beerdigung im Jahr 1940 statt. Der stillgelegte Friedhof der Namenlosen wird heute vom Hafen Wien sowie der Stadt Wien erhalten.

Vom Totengräber Josef Fuchs

(C) Diesner: Josef Fuchs betreute den Friedhof ehrenamtlich.

Mit der Geschichte und der Erhaltung des Friedhofs der Namenlosen ist ein Mann untrennbar verbunden: der ehrenamtliche Totengräber Josef Fuchs. Er lebte von 1906 bis 1996 und hat den Friedhof mit großer Sorgfalt betreut. Er hat auch dafür gesorgt, dass – im Widerspruch zum Namen des Friedhofs – viele der Toten nicht ganz namenlos geblieben sind. Mithilfe von Abgängigkeitsanzeigen des Gemeindeamts Albern, die auch Personenbeschreibungen enthielten, konnte er viele Opfer identifizieren. Noch heute kümmert sich die Familie Fuchs ehrenamtlich um den Friedhof.

Gedenkfeier

Am Nachmittag des ersten Sonntags nach Allerseelen wird jedes Jahr der Opfer der Donau und der Toten auf dem Friedhof der Namenlosen gedacht. Die Mitglieder des Fischereivereins Albern versammeln sich dann, um ein von ihnen gebautes Floß, geschmückt mit Kränzen, Blumen und brennenden Kerzen, zu Wasser zu lassen.