New Yorker Begeisterung für sozialen Wohnbau in Wien

Die Delegation zu Besuch im Karl-Marx-Hof (c) housing4allny

Der soziale Wohnbau in Wien ist eine Erfolgsgeschichte seit über 100 Jahren. Mehr als die Hälfte der Bevölkerung wohnt im kommunalen oder geförderten Wohnbau. Der Wiener Weg zieht immer mehr interessierte Delegationen aus der ganzen Welt an, die sich ein Bild des Erfolgsmodells vor Ort machen möchten. Im Oktober war auch eine Gruppe US-amerikanischer Lokalpolitiker, Wissenschafter und Aktivisten eine Woche in Wien um sich mit Politikern und Experten auszutauschen. Am Programm standen dabei Treffen mit Mitgliedern des Gemeinderats und Nationalrats, der Stadtregierung ebenso wie Experten von Arbeiterkammer und Gewerkschaft. Auch mehrere Gemeindebauten, darunter der Karl-Marx-Hof wurden besucht, wo sich die Delegation mit den Bewohnern über den Alltag im Gemeindebau austauschte.

Starke Unterschiede

Wie stark sich New York City von Wien in Sachen sozialer Wohnbau unterscheidet erklärt Cea Weaver von der Organisation „Housing Justice For All“: „Die Situation in New York ist eine gänzlich andere als hier in Wien. In der gesamten Stadt New York City leben nur rund acht Prozent der Bevölkerung im kommunalen Wohnbau, und das unter drastisch schlechteren Bedingungen. Im gesamten Staat sind es nur rund 1 Prozent.“ Ihre Organisation setzt sich für Wohnraum als Menschenrecht ein und arbeitet auf mehreren Ebenen dafür den lebenswerten und sozialen Wohnbau in den USA zu etablieren. Gemeinsam mit Mitstreitern aus unterschiedlichen Bereichen hat Cea Weaver die Reise mit knapp 50 Teilnehmern nach Wien organisiert.

Daniel Aldana Cohen, Assistenz-Professor für Soziologie an der University of California in Berkley führt im Gespräch mit dem WIENER BEZIRKSBLATT aus, wie stark die Misslage im kommunalen Wohnbau ist: „Über ein Drittel der Gemeindewohnungen in NYC hat einen Wasserschaden, bei vielen gibt es Probleme mit Abwasser, Heizung und Co. Alleine eine Sanierung des Bestands würde rund 40 Milliarden Euro ausmachen.“ Dabei sei die Lage in New York verglichen mit anderen US-Großstädten noch vergleichsweise gut, in vielen urbanen Gegenden gibt es kaum kommunalen Wohnbau.

Ideen und Motivation

„Es ist einfach faszinierend, die Architektur und Funktionalität der Gemeindebauten, auch in Hinblick auf Familien- und Klimafreundlichkeit,“ erzählt Winsome Pendergrass, seit 20 Jahren für die Organisation New York Communites for Change im Brooklyner Stadtteil Brownsville aktiv. „In unserer Gegend zahlt man am privaten Markt für eine 1-Zimmer-Wohnung 1.500 Euro im Monat aufwärts, für die meisten ist das nicht leistbar. Saubere, sichere und leistbare Gemeindewohnungen wären dringen notwendig.“

Auch Renette Bradley, Aktivistin für die Organisation HOPE und Vermittlerin in Delogierungsverfahren aus den Stadtteilen Ocean Hill & Cypress Hill, zeigt sich beeindruckt von den Gemeindebauten, aber auch von der Infrastruktur und dem Verkehrsnetz in Wien. „Ich frage mich schon, wenn das im Vergleich zu New York City wesentlich kleinere Wien das so gut hinbekommt, dann müssten wir das in einer so reichen Stadt eigentlich auch schaffen!“

Die Delegation wird die Inspiration aus Wien wieder zurück in die USA tragen und die Erkenntnisse dort auch in Form von Referenden und Gesetzesvorschlägen in den jeweiligen Lokal- und Staatsparlamenten einbringen.

Weitere Infos: housingjusticeforall.org

Hans Steiner
Chefredakteur