Bei Verkehrsunfällen gibt es eine unterschätzte Gefahr: die Schaulust der Passanten. Nicht nur, dass sie selbst nicht helfend eingreifen. Sie können die Arbeit der Rettungskräfte massiv behindern und den Erfolg der Rettungsmaßnahmen gefährden.
Das Phänomen der Schaulust tritt besonders dann auf, wenn ein Verkehrsunfall besonders spektakulär ist: Viele Menschen bleiben stehen, um zu schauen, anstatt zu helfen. Manche verfallen sogar in eine Schockstarre und sind handlungsunfähig. Eine vom Mobilitätsclub durchgeführte Erhebung zum Thema hat gezeigt, dass nur 15 Prozent aller Fahrzeuglenker stehen bleiben und helfen würden.
Filmen und fotografieren strafbar
Aus psychologischer Sicht resultiert Schaulust aus Neugier vermischt mit Informationsinteresse. Unfälle mit dem Smartphone zu fotografieren oder zu filmen und anschließend auf Social Media zu veröffentlichen, ist allerdings nicht nur moralisch verwerflich, sondern auch strafbar. „Ein derartiges Verhalten verletzt die Privatsphäre der Unfallopfer, hilft niemandem und kann bis zu 500 Euro kosten“, betont ÖAMTC-Verkehrspsychologin Marion Seidenberger.
Personen direkt ansprechen
Um schaulustigem Verhalten am Unfallort Einhalt zu gebieten, empfiehlt die ÖAMTC-Expertin, Personen direkt anzusprechen und um Hilfe zu bitten. Eine Aufforderung an eine Gruppe ist zwecklos. „In dieser Situation fühlt sich meist keiner persönlich angesprochen. Die Verantwortung wird oft an andere abgeschoben“, so Seidenberger. Können oder wollen Personen nicht helfen, sollte man sie auffordern, den Unfallort zu verlassen. Weiträumige Absperrungen oder Sichtblenden können ebenfalls dazu beitragen, die Sensationslust zu reduzieren.
Auf eigene Sicherheit achten
Als Ersthelfer ist man in einer Ausnahmesituation. Wichtig ist, die eigene Sicherheit nicht zu vernachlässigen. Auch wenn man auf den Unfall und die Verletzten fokussiert ist, darf man das Umfeld keinesfalls ausblenden, denn das kann gefährlich werden. „Eigenes Fahrzeug sicher abstellen, vorsichtig aussteigen, mit Warnweste ausgestattet zum Unglücksort gehen, Notruf absetzen und helfend anpacken – das sind die wichtigsten ersten Schritte“, erklärt Seidenberger. Gerade nachfolgende Lenker sind zu erhöhter Vorsicht angehalten, wenn sie sich einer Unfallstelle nähern. „Es kommt traurigerweise immer wieder vor, dass engagierte Ersthelfer selbst zu Unfallopfern werden, gerade wenn sie nahe am Fahrbahnrand agieren“, hält die Verkehrs-Expertin fest.
Wie man richtig reagiert
Wichtig ist das Absetzen eines Notrufs, das Absichern der Unfallstelle, das klare Ansprechen von anderen Personen am Unfallort, um sie zur Mithilfe zu motivieren und das Beruhigen der Unfallopfer. „Es ist entscheidend, einen kühlen Kopf zu bewahren und zügig Hilfe zu leisten. Jeder kann einen Beitrag dazu leisten, dass Verletzte schnellstmöglich versorgt werden und die Rettungskette in Gang gesetzt wird“, hält Seidenberger abschließend fest.